Die Ampelkoalitionsparteien SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben am 24.11.2021 ihren Koalitionsvertrag veröffentlicht; dieser Koalitionsvertrag sieht unter anderem auch vor, dass die EU-Whistleblower-Richtlinie "rechtssicher und praktikabel" umgesetzt wird (S. 111).

Was ist ein Whistleblower?

Ein Whistleblower ist eine Person, die - in der Regel, aber nicht zwingend im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit - Kenntnisse über Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder sonstige Verstöße gegen Gesetze, Rechtsverordnungen und sonstige Vorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union erlangt hat und diese Informationen meldet oder offenlegt und dadurch einen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von solchen Missständen in Unternehmen oder Behörden leistet.

Die EU-Whistleblower-Richtlinie

Ein Whistelblower bewegt sich im Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufdeckung von Rechtsverstößen und Missständen in Betrieben und Behörden einerseits und seinen zivil-, arbeits- und dienstrechtlichen Pflichten andererseits; eine Person, die sich dazu entschließt, Missstände zu melden oder gar publik zu machen, muss auf Grund dessen häufig nicht nur mit Repressalien wie beispielsweise Mobbing rechnen, sondern verstößt damit mitunter auch selbst gegen arbeits-, dienst- oder strafrechtliche Bestimmungen.

Die EU-Whisteblower-Richtlinie hat das Ziel, einen Whistleblower vor solchen arbeits-, dienst- und strafrechtlichen Folgen und sonstigen denkbaren negativen Konsequenzen zu schützen; sie garantiert einem Whistleblower zu diesem Zweck einen Anspruch auf Schutz, insbesondere auf Wahrung von Vertraulichkeit, wenn er zum Zeitpunkt seiner Meldung hinreichenden Grund zur Annahme hatte, dass die von ihm gemeldeten Informationen der Wahrheit entsprechen und er die Informationen intern (d.h. innerhalb des Betriebes beziehungsweise der Behörde) oder extern (d.h. bei den zuständigen Stellen) mitteilt und verbietet jede Form von Repressalien sowie deren Androhung einschließlich Suspendierung, Kündigung oder vergleichbarer Maßnahmen, namentlich Herabstufung oder Versagung einer Beförderung, Aufgabenverlagerung, Änderung des Arbeitsortes, Gehaltsminderung, Änderung der Arbeitszeit, Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, negative Leistungsbeurteilung oder Ausstellung eines schlechten Arbeitszeugnisse, Disziplinarmaßnahmen, Rügen oder sonstige Sanktionen einschließlich finanzieller Sanktionen, Nötigung, Einschüchterung, Mobbing oder Ausgrenzung sowie Diskriminierung und jede benachteiligende oder ungleiche Behandlung, Nichtumwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Arbeitsvertrag in Fällen, in denen der Arbeitnehmer zu Recht erwarten durfte, einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten zu bekommen, Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrages und Schädigungen (einschließlich Rufschädigung), insbesondere in den sozialen Medien.

Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern werden verpflichtet, Meldekanäle einzurichten, die so sicher konzipiert, eingerichtet und betrieben werden, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt bleibt und nicht befugten Mitarbeitern der Zugriff darauf verwehrt wird.

Die EU-Whistleblower-Richtlinie ist am 16.12.2019 in Kraft getreten; die Umsetzungsfrist für die EU-Mitgliedsstaaten endet am 17.12.2021.

Das Hinweisgeberschutzgesetz

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hatte zur Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie in der vergangenen Legislaturperiode bereits einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der - entsprechend der EU-Whistleblower-Richtlinie - Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern verpflichtet, bei sich eine Stelle für interne Meldungen einzurichten und zu betreiben, an die sich Beschäftigte wenden können (interne Meldestelle). Aufgabe der internen Meldestelle ist insbesondere der Betrieb eines Meldekanals, die Prüfung der eingegangenen Meldung sowie gegebenenfalls die Einleitung von Folgemaßnahmen wie einer unternehmensinternen Untersuchung oder einer Abgabe der Sache an die Behörden. Dabei ist es dem Unternehmen freigestellt auf welche Weise die Einrichtung einer derartigen internen Meldestelle erfolgt; insoweit nennt der Gesetzesentwurf sowohl die Möglichkeit, eine bei dem Unternehmen beschäftigte Person beziehungsweise eine Organisationseinheit mit den Aufgaben zu betrauen, als auch die Möglichkeit, einen unternehmensfremden Dritten als interne Meldestelle zu installieren

Der externe Vertrauensanwalt als interne Meldestelle

Mit der Beauftragung eines Rechtsanwaltes als externer Vertrauensanwalt (Ombudsmann) schafft das Unternehmen eine interne Meldestelle im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes sowie der EU-Whistleblower-Richtlinie.

Auch ein externer Vertrauensanwalt (Ombudsmann) ist als Rechtsanwalt zur Wahrung absoluter Vertraulichkeit gesetzlich verpflichtet und darf Tatsachen, die er im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit erfahren hat, nicht offenbaren; schon allein aus diesem Grund bringen viele Whistleblower einem externen Vertrauensanwalt ein hohes Maß an Vertrauen entgegen.

Außerdem steht ein externer Vertrauensanwalt außerhalb der Unternehmensorganisation, so dass die Whistleblower in der Regel weniger Sorge haben, bei dem Hinweis auf eine Kollegin oder einen Kollegen zu treffen beziehungsweise von einer Kollegin oder einem Kollegen nachfolgend zum Sachverhalt befragt zu werden.

Der externe Vertrauensanwalt gewährleistet Vertraulichkeit gegenüber jedermann; gleichzeitig kann er mit dem Whistleblower auf vertrauensvoller Ebene unmittelbar Kontakt aufnehmen und den Kontakt halten, um über die bloße Entgegennahme der Informationen hinaus in einen Dialog zu kommen, Unsicherheit und Ängste abzubauen und in einem geschützten Gesprächsrahmen mit dem Whistleblower beispielsweise Fragen zum Sachverhalt durch Rückfragen zu klären und dadurch den Sachverhalt aufzuklären und dadurch die Prüfung der Stichhaltigkeit der erhobenen Vorwürfe zu erleichtern.

Die Möglichkeit zum unmittelbaren Kontakt mit dem Whistleblower, aber auch mit den Verantwortlichen des Unternehmens unterscheidet den externen Vertrauensanwalt von den zahlreichen Hinweisgeberportalen und anonymen Meldesystemen; nicht selten sind sogar attraktiver, was die Kosten für das Unternehmen angeht.

Wir evaluieren gemeinsam mit Unternehmen den Bedarf, prüfen die Rahmenbedingungen und erarbeiten sodann konkrete Handlungsempfehlungen, um einen Hinweisgeberkanal entsprechend den Vorgaben der EU-Whisteblower-Richtlinie sowie des (zu erwartenden) Hinweisgeberschutzgesetzes zu installieren, im Unternehmen oder Unternehmensverbund auszurollen und auch in der Außendarstellung des Unternehmens verständlich zu machen, dass sich das Unternehmen seiner Verantwortung bewusst ist und Whistleblowern Vertraulichkeit zusichert.

Im übrigen:
Ein funktionierendes Hinweisgebersystem wird bereits jetzt als Bestandteil eines wirksamen Compliance-Management-Systems (CMS) angesehen, das - im Falle eines Strafverfahrens im Zusammenhang mit dem Betrieb des Unternehmens - zu einer Milderung einer (etwaigen) Sanktion gegen Unternehmensverantwortliche beziehungsweise das Unternehmens selbst führen kann; auch im Geschäftsgeheimnisgesetz und - ab 2023/2024 - auch im bereits verabschiedeten Lieferkettengesetz spielt der Schutz von Hinweisgebern eine wichtige Rolle.

Wir lassen Sie nicht allein!

Unternehmen sind gut beraten, wenn sie sich bereits jetzt um den Aufbau eines Hinweisgebersystems bemühen; wir beraten Unternehmen!