Ein Gesetz mit dem vertrauenerweckenden Titel „Zweites Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise“ hat nahezu beiläufig zu zwei maßgeblichen Änderungen im Steuerstrafrecht geführt, die – anders als der Name des Gesetzes vermuten lässt – nichts mit der COVID-19-Pandemie oder ihren wirtschaftlichen Folgen zu tun haben, sondern eine Reaktion des Gesetzgebers auf die – einerseits – langjährige Dauer von Steuerstrafverfahren in komplexen Sachverhalten wie zum Beispiel den sogenannten CumEx-Verfahren sowie die – andererseits – offenbar als unbefriedigend angesehene Rechtsprechung des für Steuerstrafsachen zuständigen 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofes zur Frage der Einziehung von Erträgen einer Steuerhinterziehung, wenn der (steuerliche) Anspruch des Staates aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verjährung erloschen ist (vgl. dazu Schütz, jurisPR-StrafR 4/2020, Anm. 3) sind; das Gesetz ist mit Wirkung zum 30.06.2020 in Kraft getreten.

Verlängerung der Verjährungsfristen

Bislang galt für Fälle der Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall im Sinne des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 – 6 AO eine Verfolgungsverjährungsfrist von 20 Jahren, wenn spätestens vor Ablauf einer Frist von 10 Jahren (Regelverjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB in Verbindung mit § 370 Abs. 3 S. 1, 376 Abs. 1 AO) verjährungsunterbrechende Maßnahmen vorgenommen worden waren; denn gemäß § 78c Abs. 3 S. 2 StGB war die Verfolgung spätestens dann verjährt, wenn das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen war.

Um den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit zu geben, den Sachverhalt auch in komplexen und grenzüberschreitenden Steuergestaltungen, die darauf ausgerichtet sind, Steuern in großem Ausmaß zu hinterziehen (und bei denen erst im Laufe von Ermittlungen das gesamte Ausmaß an Tatkomplexen und Beteiligten deutlich wird, bis zur Anklageerhebung vollständig auszuermitteln, wurden die Verjährungsfristen nunmehr auf das 2 1/2-fache (=25 Jahre) verlängert.

Darüber hinaus wurde durch eine Änderung des § 376 Abs. 1 AO bestimmt, dass die Verjährung für maximal weitere 5 Jahre ruht, wenn die Staatsanwaltschaft wegen Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall Anklage zum Landgericht erhoben und das Landgericht das Hauptverfahren eröffnet hat; auch bei dieser Gesetzesänderung geht es darum, den Strafverfolgungsbehörden in komplexen Steuerstrafverfahren mehr Zeit zur Verfügung zu stellen.

Einziehung auch bei Verjährung des steuerlichen Anspruchs

Nach § 73 Abs. 1 StGB ist zwingend einzuziehen, was der Täter einer Straftat „durch oder für die Tat erlangt“ hat. „Durch die Tat“ erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist jeder Vermögenswert, der dem Täter durch die rechtswidrige Tat zugeflossen ist, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine tatsächliche Verfügungsgewalt übergegangen ist und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist.

Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der von der Einziehung Betroffene Aufwendungen für diese Steuern erspart. Eine Einziehung ist allerdings ausnahmsweise nach § 73e Abs. 1 StGB ausgeschlossen, wenn der der Anspruch erloschen ist. Angesichts der Vorschrift des § 47 AO, der ausdrücklich bestimmte, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht nur durch Zahlung, Aufrechnung und Erlass, sondern auch durch Verjährung erlöschen, hatte der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 24.10.2019 entschieden, dass auch das Erlöschen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verjährung einer Einziehungsanordnung entgegensteht. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis verjähren, wenn Steuern hinterzogen worden sind, gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nach zehn Jahren, es sei denn, dass die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit noch nicht verjährt ist; denn vor dem Eintritt der Strafverfolgungsverjährung tritt auch Festsetzungsverjährung gemäß § 171 Abs. 7 AO nicht ein.

Die neu eingeführte Vorschrift des § 375a AO regelt, dass künftig in Fällen der Steuerhinterziehung rechtswidrig erlangte Taterträge – trotz Erlöschens des Steueranspruchs nach § 47 AO – nach § 73 des Strafgesetzesbuches die Einziehung dieser Erträge angeordnet werden kann.

Fazit

In besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung – von besonderer Bedeutung ist hier die Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO (Steuerverkürzung beziehungsweise ungerechtfertigte Steuervorteilserlangung in großem Ausmaß) – wurde durch das „Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise“ die Verfolgungsverjährungsfrist nicht nur von 20 auf (im Ergebnis) 30 Jahre verlängert; es wurde auch die Möglichkeit für die Gerichte geschaffen, verkürzte Steuern auch dann noch einzuziehen, wenn der Steueranspruch verjährt ist.

Von besonderer Bedeutung ist dies für Unternehmen. Wurde eine Steuerhinterziehung zu Gunsten eines Unternehmens begangen, kam eine Einziehung des durch die Tat Erlangten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr in Betracht, wenn steuerrechtlich Festsetzungsverjährung eingetreten war; dies dürfte nunmehr anders zu beurteilen sein.