Wie bereits in unserem Beitrag „Das Unternehmensstrafrecht kommt!“ dargestellt, ist Anknüpfungspunkt für die Verfolgung und Sanktionierung eines Unternehmens eine Straftat, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder bereichert werden sollte. Als Pflichten, die den Verband treffen, kommen auch steuerliche Pflichten – insbesondere die Pflicht, Steuererklärungen innerhalb der gesetzlichen Fristen und inhaltlich zutreffend abzugeben – in Betracht; eine Verletzung dieser Pflicht wird zukünftig dazu führen, dass ein Strafverfahren nicht nur gegen den Verantwortlichen, sondern auch gegen das Unternehmen als solches eingeleitet wird, wenn die Tat von einer Leitungsperson (Vorstand beziehungsweise Geschäftsführer, aber auch die Leitung der Steuerabteilung) begangen worden ist oder, wenn eine Nicht-Leitungsperson die Tat begangen hat, wenn die Tat durch angemessene Vorkehrungen – insbesondere ein funktionierendes (Tax-) Compliance-Management-System – hätte verhindert werden können. Im Übrigen ist, wie ebenfalls bereits dargestellt wurde, die Einrichtung und Unterhaltung eines funktionsfähigen (Tax-)Compliance-Management-Systems ein Umstand, der bei der Bemessung der im Einzelfall konkret angemessenen Sanktion strafmildernd zu berücksichtigen sein wird.

Tax-Compliance-Management-System

Unter einem Tax Compliance-Management-System sind alle Grundsätze und Maßnahmen zu verstehen, die auf die zeitgerechte und vollständige Erfüllung der steuerlichen Pflichten beziehungsweise auf die Verhinderung von Verstößen gegen die Steuergesetze gerichtet sind. Durch die Einführung werden nicht nur strafrechtliche und reputative Risiken, die sich aus etwaigen Pflichtverletzungen ergeben können, sondern auch finanzielle Risiken (in Form von Säumnis- oder Verspätungszuschlägen) minimiert; erforderlich dafür ist insbesondere, dass (steuerliche) Risiken identifiziert, dokumentiert und bewertet werden, Maßnahmen und Kontrollmechanismen in Bezug auf die Risiken entwickelt und im Unternehmen implementiert werden, die Maßnahmen im Unternehmen von der Unternehmensleitung kommuniziert und als Teil der Kultur des Unternehmens integriert werden und durch interne Richtlinien, Arbeitsanweisungen und/oder Berichtswege eine laufende Überwachung mit dem Ziel der Optimierung erfolgt.

Bedeutung im Hinblick auf die Berichtigung von Steuererklärungen…

Wird im Nachhinein erkannt, dass eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung abgegeben worden ist, hat die Unternehmensleitung die Pflicht, dies dem Finanzamt mitzuteilen und die Steuererklärung unverzüglich zu korrigieren; das Un¬ter¬las¬sen der Be¬rich¬ti¬gung nach § 153 AO kann – und wird zu¬neh¬mend – durch die Fi¬nanz- und Ermittlungsbehörden als Steuerhinterziehung durch Un¬ter¬las¬sen gewertet. Entscheidend ist an dieser Stelle, ob eine bloße Berichtigung – bei der es lediglich zu einer Steuernachzahlung ohne Hinterziehungszinsen kommt – oder eine Selbstanzeige erforderlich ist – mit der Folge, dass zusätzlich Zinszahlungen und ein Selbstanzeigezuschlag hinzukommen.

Das Bundesministerium der Finanzen hat mit Schreiben vom 23.5.2016 zur Abgrenzung von Berichtigungs- und Selbstanzeigen Stellung genommen: "Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem eingerichtet, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies gegebenenfalls ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann, jedoch befreit dies nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls."

Durch die Implementierung eines Tax-Compliance-Management-Systems zeigt das Unternehmen, dass alles Erforderliche unternommen wurde, um Fehlern vorzubeugen; dies könnte im Sinne des oben benannten Schreibens gegen die Annahme von Vorsatz oder Leichtfertigkeit sprechen.

… und im Hinblick auf das Gesetz zur Sanktionierung verbandsbezogener Straftaten

Ist im Hinblick auf den zu berichtigenden Fehler auf Grund des von der Leitung des Unternehmens eingerichteten und überwachten Tax-Compliance-Management-Systems nicht von (auch nur bedingtem) Vorsatz auszugehen, kommt eine Verfolgung beziehungsweise Sanktionierung des Unternehmens selbst für den Fall nicht in Betracht, dass sich der Fehler als leichtfertige Steuerhinterziehung darstellt; denn die Verfolgung beziehungsweise Sanktionierung ist an das Vorliegen einer Straftat geknüpft. Leichtfertigkeit rechtfertigt nicht den Vorwurf einer Straftat; vielmehr handelt es sich bei der leichtfertigen Steuerhinterziehung gemäß § 378 AO um eine Ordnungswidrigkeit (wobei an dieser Stelle nicht verschwiegen werden soll, dass diese über §§ 30, 130 OWiG zu einem Bußgeld gegen das Unternehmen führen kann).

Fazit

Ein Tax-Compliance-Management-System kann die Abgabe einer verspäteten oder inhaltlich unzutreffenden Steuererklärung und in Konsequenz eine Sanktionierung nach dem Gesetz über die Sanktionierung verbandsbezogener Straftaten ausschließen. Kommt es trotz der Einrichtung eines Tax-Compliance-Management-Systems zu einer Steuerstraftat oder wird ein solches nach der Entdeckung einer Steuerstraftat aufgebaut und implementiert, kann dies zu einer signifikanten Verringerung der Sanktion führen. Ein Tax-Compliance-Management-System sollte daher von jedem Unternehmen eingerichtet und unterhalten werden; dies betrifft auch kleine und mittlere Unternehmen.

Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Sanktionierung verbandsbezogener Straftaten ist noch im Laufe dieser Legistlaturperiode zu rechnen; den Verbänden bleibt dann eine Frist von zwei Jahren bis zum Inkrafttreten der Vorschriften. Diese Zeit sollten die Verantwortlichen eines Unternehmens nutzen und ein an die Belange des Unternehmens angepasstes Tax-Compliance-Management-System einführen beziehungsweise ein bereits eingerichtetes System überprüfen.

Wir beraten in Zusammenarbeit mit unseren steuerrechtlichen Kooperationspartnern die Unternehmensleitung im Vorfeld bei der Analyse des Risikos und der Konzeption eines Compliance-Management-Systems und unterstützen sie nachfolgend bei der Implementierung und Überwachung.